Nikolaus von Lyra
Nikolaus legt den Ausdruck Morijah in seiner Postilla aus,1 indem er der Übersetzung der Vulgata2 folgt:
Et vade in terram visionis. id est, in montem iuxta Ierusalem, quia erat altus respectu aliarum partium terrae promissionis. Et ideo inde porterat videri terra in circuitu, et ille mons postea additus est civitati, et in loco illo postea aedificatum est templum Salomonis, ut habetur 2 Para. 3. ca. et hoc praeceptum est Abrahae, ut longe eundo posset deliberare de facto, et sic dimittere, nisi fuisset valde constans in obedientia ad Deum.
„Und geh in das Land der Vision“ (Gen 22,2 Vulg.) Das bedeutet, auf einen Berg nahe bei Jerusalem, weil er hoch war im Vergleich zu den anderen Gegenden des Landes der Verheißung3. Und deshalb konnte von dort das Land in der Umgebung gesehen werden. Und dieser Berg wurde später der Stadt hinzugefügt und an diesem Ort wurde später der Tempel Salomos erbaut, wie in 2 Chr 3,1 steht. Und dieser Befehl galt Abraham, damit er beim Gehen lange über das Ereignis nachdenken und es unterlassen konnte, wenn er nicht sehr beständig im Gehorsam zu Gott gewesen wäre.

Im zweiten Teil seiner Ausführung erklärt Lyra, warum Abraham drei Tage zu diesem Berg unterwegs war (vgl. Gen 22,4). Er sollte genügend Zeit zum Nachdenken haben. Diese Deutung stammt – ohne dass Nikolaus das erwähnt – aus der rabbinischen Tradition.
כי למען צדקו הגדיל טרחו ורצה שיעשה זה אחרי מהלך שלשה ימים, כי אלו יעשה כן בפתע פתאום במקומו היתה פעלתו במהירות ובהלה, אבל כשיהיה אחר מהלך ימים כבר נעשה בישוב דעת ועצה. וכך אמרו בבראשית רבה (בראשית רבה נ"ה:ו'), רבי עקיבא אומר נסה אותו בודאי שלא יהיו אומרין הממו וערבבו ולא היה יודע מה לעשות׃
Denn um seiner Gerechtigkeit willen vergrößerte er seine Bürde und er wollte, dass er dies nach einer Wegstrecke von drei Tagen tun sollte, denn hätte er diese [Dinge] so überraschend plötzlich auf der Stelle tun sollen, wäre seine Tat mit Hast und Verwirrung geschehen. Aber nachdem sie nach einer Wegstrecke von Tagen geschah, wurde sie bereits mit Ruhe, Wissen und Anleitung getan. Und so heißt es in Bereschit Rabbah: „R. Akiva sagte: Er stellte ihn sicherlich auf die Probe, damit sie nicht sagen konnten: Er vewirrte ihn und verstörte ihn und er wusste nicht, was er tun sollte“ (Bereschit Rabba 55,6).
(Ramban, Kommentar zu Gen 22,2)
Überraschenderweise geht Lyra nicht auf die philologischen Ausführungen des Hieronymus ein, obwohl die Glossa ordinaria einen Ausschnitt des folgenden Textes zitiert:
Difficile est idioma linguae hebraeae in latinum sermonem uertere. Vbi nunc dicitur uade in terram excelsam, in hebraeo habet moria, quod Aquila transtulit τὴν καταφανῆ, hoc est lucidam, Symmachus τῆς ὀπτασίας, hoc est uisionis. Aiunt ergo Hebraei hunc montem esse, in quo postea templum conditum est in area Ornae Iebusaei, sicut et in Paralipomenis scriptum est et coeperunt aedificare templum in mense secundo in secunda die mensis in monte Moria. Qui idcirco inluminans interpretatur et lucens, quia ibi est dabir (hoc est oraculum dei) et lex et spiritus sanctus, qui docet homines ueritatem et inspirat prophetas. (Hebraice Quaestiones in Libro Geneseos; CCSL LXXII S. 26)Es ist schwierig, die Eigentümlichkeit der hebräischen Sprache in die lateinische Redeweise zu übertragen. Wo jetzt gesagt wird geh in das hochragende Land, steht im Hebräischen Morijah, was Aquila mit tēn kataphanē, das bedeutet „leuchtend“ übersetzt, Symmachus mit tēs optasías, das ist „Vision“. Daher sagen die Hebräer, dass dies der Berg ist, auf dem später der Tempel erbaut worden ist, auf der Tenne des Jebusiters Arauna, wie es auch im in den Chronikbüchern geschrieben steht: „und sie begannen den Tempel im zweiten Monat, am zweiten Tag des Monats, auf dem Berg Morijah, zu bauen“ (vgl. 2 Chr 3,1-2). Dieser [Ausdruck] wird deshalb als erleuchtend und leuchtend gedeutet, weil dort das dabir (das bedeutet Ausspruch Gottes) und das Gesetz und der Heilige Geist ist, der die Menschen die Wahrheit lehrt und die Propheten inspiriert. (Hebräische Untersuchungen zum Buch Genesis)

Auch hier hilft wiederum ein Blick in die rabbinische Tradition, um diese Deutungen zu verstehen:
רבי חיא רבה ורבי ינאי, חד אמר למקום שהוראה יצאה לעולם, ואוחרנא אמר למקום שיראה יצאה לעולם. דכותה דביר, רבי חיא ורבי ינאי, חד אמר ממקום שהדברות יוצאות לעולם, וחד אמר ממקום שהדבור יוצא לעולם. דכותה ארון, רבי חיא ורבי ינאי, חד אמר למקום שהאורה יוצאה לעולם, וחד אמר מקום שיראה יוצא לעולם. אמר רבי יהושע בן לוי שמשם הקדוש ברוך הוא מורה לאמות העולם ומורידם לגיהנם. רבי שמעון בן יוחאי אמר למקום שהוא ראוי כנגד בית המקדש למעלה. רבי יודן אמר למקום שיהא מראה לך. רבי פינחס אמר לאתר מרותא דעלמא. רבנן אמרי למקום שהקטרת קרבין, היאך מה דאת אמר (שיר השירים ד, ו) אלך לי אל הר המור ואל גבעת הלבונה׃
- Chijja Rabbah oder R. Janai, einer sagte: [Morijah bezieht sich] auf den Ort, von dem Anweisung (hora'ah) für die Welt ausgeht4 Und ein anderer5 sagte: [Morijah bezieht sich] auf den Ort, von dem Furcht (jir'ah) für die Welt ausgeht6. So ähnlich [verhält es sich mit] dem Allerheiligste (devir).7 R. Chijja und R. Janai: Der eine sagte, [gemeint ist] der Ort, von dem die Gebote (dibrot) in die Welt ausgehen, und der andere sagt: [gemeint ist] der Ort, von dem das Sprechen (dibur) in die Welt ausgeht8. So ähnlich [verhält es sich mit] der Bundeslade (aron). R. Chijja und R. Janai: Der eine sagte: [Es bezieht sich] auf den Ort, von dem das Licht (orah) in die Welt ausgeht, und der andere sagte: [gemeint ist] der Ort, von dem die [Gottes]Furcht (jir'ah) in die Welt ausgeht9. R. Jehoschua ben Levi sagte, [Morijah bedeutet,] dass von dort der Heilige, gepriesen sei Er, auf die Völker der Welt schießt (moreh)10, und sie in die Gehenna hinabsteigen lässt. R. Schimon bar Jochai sagte: [es bezieht sich] auf den Ort, der würdig ist (ra'uj) entsprechend dem himmlischen Heiligtum. R.Judan sagte: [es bezieht sich] auf den Ort, der dir gezeigt worden ist (mor'eh)11. R. Pinchas sagte: [es bezieht sich] auf den Ort der Herrschaft (maruta) über die Welt12. Eine Reihe von Gelehrten (rabbanan) sagen: [es bezieht sich] auf den Ort, wo man den Weihrauch darbrachte, wie du liest: „Ich werde für mich zum Berg der Myrrhe (hammor) gehen und zum Hügel des Weihrauchs.“ (Hld 4,6)
(Bereschit Rabba 55,7)

Alle diese Deutungen spielen mit möglichen Anklängen an das Wort morijah. Dass Hieronymus diese Traditionen gekannt haben muss, scheint mir auf Grund seines Verweises auf das devir sicher zu sein. Ganz gegen seine sonstigen Gewohnheit, solche rabbinischen Traditionen anzuführen, hat Lyra sie an dieser Stelle (mit der genannten Ausnahme) weggelassen.
Paul von Burgos
Der vom Judentum konvertierte spanische Bischof reagierte in seiner Additio I auf die Erklärung des Ausdrucks Morijah in der Postilla des Nikolaus von Lyra:
In cap. 22. vbi dictur in postilla, Et vade in terram visionis, id est in montem. Vbi hic dicitur, In terram visionis, in Hebraeo habetur, In terra moriiah המריה Voluit enim translator intepretari, hoc nomen morijah, per hoc nomen visionis, quod non de propinquo, sed valde longe hoc sonat. In 2. vero Paral. 3 vbi de hoc monte agitur, non fuit interpretatus hanc dictionem, sed dimisit eam in propria forma dicens Et coepit Salomon aedificare domum domini in Hierusalem in monte moriiah, & caetera. Et melius se habuit ibi quam hic. nam haec dictio morija habet alias interpretationes literae, propinquiores, et magis consonas proposito, quas quidem interpretationes Hebraei antiqui tradunt.nam quidam eorum dicunt, quod morija interpretatur doctrina seu doctrix etc. Et est propinquissima interpretatio seu expositio. Nam more, in Hebraico proprie idem significat quod doctor, et sic morija est ab illo nomine more abstractum, vel est nomen foemini generis eiusdem significationis, et sic mons moriae idem est quod mons doctrinae seu doctoris.In Kapitel 22, wo in der Postilla gesagt wird Und gehe in das Land der Vision, das bedeutet auf einen Berg.
Wo hier gesagt wird in das Land der Vision steht im Hebräischen: in das Land המריה 13. Denn der Übersetzer wollte diesen Begriff morijah durch den Begriff der Vision erklären, der [der eigentlichen Bedeutung] nicht nahe kommt, sondern ganz entfernt so klingt. Aber in 2 Chr 3,1 – wo von diesem Berg gesprochen wird – wurde dieser Ausdruck nicht erklärt, sondern man ließ ihn in seiner eigentlichen Form: Und Salomon begann das Haus des Herrn in Jerusalem zu bauen, auf dem Berg Morijah usw.. Und damit erging es ihm dort besser als hier. Denn dieser Ausdruck morijah hat andere wörtliche Erklärungen, die ihm näher kommen, und mehr in Übereinstimmung mit der Hauptsache [sind], jedenfalls überliefern sie die alten Hebräer.
Denn einige von ihnen sagen, dass morijah Lehre oder Lehrerin bedeutet usw. Und das ist die treffendste Deutung oder Erklärung. Denn moreh (מורה) bezeichnet auf Hebräisch eigentlich dasselbe wie Lehrer und so ist morijah eine Ableitung von diesem Begriff. Oder es ist ein Begriff weiblichen Geschlechts (מורה - morah) mit derselben Bedeutung, und so ist der Berg Morijah das gleiche wie der Berg der Lehre oder des Lehrers.
Ohne den Namen zu nennen, bringt Paul hier die Deutung von Raschi, die uns aber auch schon im Midrasch begegnet ist:
ארץ המוריה. ירושלים, וכן בדברי הימים לבנות את בית ה' בירושלם בהר המוריה (דברי הימים ב ג'). ורבותינו פרשו על שם שמשם הוראה יוצאה לישראל. ואנקלוס תרגמו על שם עבודת הקטרת שיש בו מור נרד ושאר בשמים׃
Das Land Morijah: [Das ist] Jerusalem. Und so [steht es] in den Chroniken: um das Haus des HERRN zu bauen in Jerusalem, auf dem Berg Morijah (2 Chr 3,1). Und unsere Lehrer haben über den Namen ausgelegt, dass von dort Lehre (hora'ah) ausgeht für Israel.
Paul folgt dann auch Raschi in seiner Fortsetzung:
Secundo modo interpraetatur ab eis et proprie ab hoc quod et mor, quod significat myrrham. Unde dicunt quod idem est dicere, mons morija, quod mirrhae, de quo Cant. 4.b. Vadam at montem myrrhae.Auf die zweite Weise wird von ihnen auch passend ausgelegt, von dem was mor heißt, was die Myrrhe bezeichnet. Daher sagen sie, es ist das selbe, Berg Morijah und Berg der Myrrhe zu sagen. Davon handelt Hld 4,6: Ich werde zum Myrrhen-Berg gehen.
Hier die Fortsetzung bei Raschi:
ואנקלוס תרגמו על שם עבודת הקטרת שיש בו מור נרד ושאר בשמים׃
Und Onkelos übersetzte es benannt nach dem Weihrauch des Gottesdienstes, denn es gibt darin Myrrhe (mor - מור), Narde und sonstige Wohlgerüche.
Paul von Burgos fährt dann fort:
Tertio modo in translatione Chaldaica dicitur, ad terram latriae eo quod more proprie significat timorem. unde in illo loco reddebatur deo cultus latriae, quae praecipue fundatur in timore Dei sancto, qui permanet in seculum seculi. Et notandum quod quaelibet illam trium interpretationum conueniebat illi monti communiter seu large, ratione templi ibi aedificandi.Auf die dritte Weise [der Erklärung] heißt es im Aramäischen zum Land der Anbetung, womit man eigentlich die [Gottes-]Furcht bezeichnet. Daher wird an diesem Ort Gott die Verehrung der Anbetung erwiesen, die vor allem in der heiligen Furcht Gottes begründet ist, die bleibt in alle Ewigkeit. Es ist anzumerken, dass jede dieser drei Erklärungen im allgemeinen oder besonderen zu diesem Berg passt, auf Grund des Tempels, der dort gebaut wurde.
Auch diese Deutung mit jir'ah – der Gottesfurcht, ist uns in Genesis Rabba schon begegnet.

Primo, quia exinde exiuit doctrina generalis et salutifera toto vniuerso iuxta illud Esa.2.a. In nouissimis diebus paratus est mons domini in summo montium et caetera. Et subdit, Quia de Sion exibit lex et verbum domini de Hierusalem et caetera. Secundo, quia ibi fuit passio celebrata, quae per myrrham designatur. Myrrha enim oblata Christi per magos, Matth.2.b. dominicam annunciavit sepulturam. Tertio, quia cultus latriae qui in vera char[i]tate perficitur, solum fuit perfectissime completus, cum Christus in sua passione per ineffabilem charitatem seipsum obtulit Deo patri in odorem suauitatis.Erstens, weil von diesem Ort die Gesetzeslehre zum ganzen Volk ausgegangen ist, gemäß der Stelle in Dtn 514. Zweitens, weil dort Gott Räucherwerk und Weihrauch dargebracht wurde, worunter entsprechend der zweiten Übersetzung Myrrhe gemischt wurde. Drittens, weil Gott dort mit den Opfertieren und vom Gesetz vorgeschrieben Opfern geehrt wurde, wovon im Verlauf des Buches Levitikus Mehreres enthalten ist. Diese drei [Aspekte] entsprechen noch mehr und vollkommener diesem Berg durch die Passion Christi und die anderen Dinge, die später dort geschehen sind.
Quae quidem expositiones non sundt reputandae mysticae, sed literales. Fundantur enim in significatione propria huius dictionis morija prout ab Hebraeis traduntur, ut dictum est. Item nota quod in Hebraeo non scribitur morija in hoc loco cum vocali, o, sed scribitur taliter quod prope potest legi Maria, unde non inconuenienter diceretur, quod ille mons sanctissimus inititularetur a beatissima virgine, quae ibidem scilicet in templo filium suum obtulit Deo, et deinde iuxta illum locum propriis oculis aspexit filium suum immolaristans iuxta Aram crucis, ut Ioan. xix.e.Erstens, weil von da die allgemeine und heilbringende Lehre in die ganze Welt ausgegangen ist, gemäß diesem Vers aus Jesaja 2: An den jüngsten Tagen wird der Berg des Herrn bereitet sein als höchster der Berge usw. (Jes 2,2). Und er fügt hinzu: Weil von Zion das Gesetz ausgehen wird und das Wort des Herrn von Jerusalem usw. (Jes 2,3). Zweitens, weil sich dort bekanntermaßen die Passion ereignet hat, die durch Myrrhe bezeichnet wird. Denn Myrrhe wurde Christus durch die Weisen dargebracht, Mt 2,11. Sie hat das Begräbnis des Herrn angekündigt. Drittens, weil die Verehrung der Anbetung, die in der wahren Nächstenliebe vervollkommnet wird, nur vollkommen erfüllt worden ist, als Christus in seiner Passion durch eine unaussprechliche Nächstenliebe sich selbst Gott dem Vater als angenehmen Wohlgeruch geopfert hat15.
Et notandum quod interpreatatio nostrae translationis non videtur congrua rationi. Tum quia mons moria, in quo fuit aedificatum templum non erat sic dispositus, und inde posset videri terra in circuitu prout postillator dicit. nam talis visio impedita erat per montes qui erant in circuitu eius, Unde psa. cxxiiii.a. Montes in circuitu eius. Tum quia cum dicitur Vade in terram uisionis seu in terram moriia. Non est intelligendum in montem iuxta Hierusalem, prout postillator dicit, quia Deus in primis non ostendit Abrahae montem, in quo immolaturus Isaac, sed terram in qua erat mons ille quem Deus ipse erat sibi demonstraturus. Unde dicit, Vade in terram moriae et cetera, in montem quem monstrauero tibi.Diese Ausführungen sind nicht als mystisch, sondern als dem Literal-Sinn entsprechend aufzufassen. Denn sie sind in der eigentlichen Bedeutung des Wortes morijah begründet, so wie sie von den Hebräern überliefert wurden, wie gesagt worden ist. Beachte ebenso, dass morijah im Hebräischen an dieser Stelle nicht mit dem Vokal o geschrieben wird, sondern es wird auf solche Weise geschrieben, dass es beinahe als Maria gelesen werden kann. Daher könnte auf nicht unpassende Weise gesagt werden, dass dieser hochheilige Berg nach der allerseligsten Jungfrau benannt wurde, die eben dort, das bedeutet im Tempel, ihn Sohn Gott geopfert hat16. Ferner erblickte sie mit eigenen Augen nahe an diesem Ort ihren Sohn, der sich gleichermaßen auf dem Altar des Kreuzes darbrachte, wie in Joh 19,25-27 [gesagt wird].
Es ist zu beachten, dass die Erklärung unserer Übersetzung [durch Lyra] nicht mit der Vernunft übereinzustimmen scheint. Denn der Berg Morijah, auf dem der Tempel erbaut wurde, war nicht so gelegen, dass von dort das Land im Umkreis gesehen werden konnte, wie der Verfasser der Postille sagt. Denn ein solcher Blick wurde durch Berge in seinem Umkreis verhindert, daher [sagt] Psalm 125,2 [von Jerusalem]: Berge [sind] in seinem Umkreis. Ferner, weil wenn gesagt wird Geh in das Land der Vision oder in das Land Morijah, muss das nicht als ein Berg nahe bei Jerusalem verstanden werden, so wie der Verfasser der Postille sagt. Denn Gott zeigte Abraham nicht zuerst den Berg, auf dem Isaak geopfert werden sollte, sondern ein Land, in dem der Berg war, den ihm Gott selbst zeigen würde. Daher heißt es: Geh in das Land Morijah usw. auf den Berg, den ich dir zeigen werde (Gen 22,2).
Dass der Berg Morijah nicht sehr hoch war, wurde auch von Abraham Ibn Ezra vertreten:
אחד ההרים. שם נבנה הבית, וכן מפורש ויבן שלמה את הבית בהר המוריה (דה"ב ג א), ואיננו הר גבוה, ובו היה גורן ארונה׃
[Und geh auf] einen der Berge [die ich Dir zeigen werde]: Dort wurde das Haus [des HERRN] gebaut. Und so wird es ganz deutlich ausgedrückt: Und Salomo baute das Haus auf dem Berg Hamorijah (2 Chr 3,1). Und es war kein erhöhter Berg. Und auf ihm war die Tenne Ornans.
Die Debatte über den Unterschied zwischen einem Land und einem Berg Morijah findet sich wiederum bei Nachmanides:
והנה בכאן קורא שם הארץ "ארץ מוריה", ושם (דהי"ב ג א) נראה כי הר הבית לבדו יקרא "הר המוריה", ואולי נקראת העיר על שם ההר ההוא אשר בתוכה, הארץ אשר בה המריה, וההר לבדו הוא נקרא מוריה. ואברהם ידע את הארץ ולא ידע את ההר, ולכן אמר לו שילך אל ארץ המריה והוא יראנו אחד ההרים ששם שנקרא ככה. וצוהו להעלותו במקום ההוא כי הוא ההר חמד אלהים לשבתו׃
Und siehe, an dieser Stelle [= in Gen 22,2] lautet der Namen des Landes „Land Morijah“, und dort (2 Chr 3,1) scheint es, dass allein der Tempelberg „Berg Hamorijah“ genannt wird. Und vielleicht wird die Stadt nach dem Namen dieses Berges benannt, der in ihrer Mitte ist, das Land in dem HaMorijah ist. Aber der Berg wird allein Morijah genannt. Und Abraham kannte das Land, aber er kannte den Berg nicht. Und deshalb sagte er [=Gott] ihm, dass er in das Land HaMorijah gehen sollte und er würde ihm einen von den Bergen zeigen, der dort so genannt wurde. Und er gebot ihm, ihn an diesem Ort als Opfer darzubringen, denn er war der Berg, den Gott als seine Wohnung wünschte.
Man sieht also, dass Paul von Burgos Aspekte der rabbinischen Deutungen korrekt wiedergibt. Ich frage mich, ob Nikolaus von Lyra diese Deutungen für nicht bedeutsam hielt – oder die Komplexität der Antworten scheute. Weitere Versuche der Erklärung dieses Namens habe ich hier zusammengestellt.
Hier der Link zu einer älteren Inkunabel-Fassung
Die Vetus Latina folgt der LXX und übersetzt deren Wiedergabe von und geh in das Land Morija – καὶ πορεύθητι εἰς τὴν γῆν τὴν ὑψηλὴν – „und ziehe in das hoch gelegene Land“ mit et vade in terram excelsam: „Und geh in das hochragende Land“. Diese Übersetzung dürfte Morijah von der hebräischen Verbwurzel רום ableiten: sie bedeutet sich erheben, hoch werden oder hoch sein.
Vgl. Jes 2,2: Mi 4,1; Ps 48,2-3; 68,15-19; 87,1-2
Vgl. Jes 2,3
ואוחרנא ist babylonisches Aramäisch; siehe Michael Sokoloff: A Dictionary of Jewish Babylonian Aramaic (2002) S. 105-106
Vgl. Ps 48,1-6
„Und die Priester brachten die Lade des Bundes des HERRN an ihren Ort: in das devir des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Keruben.“ (1 Kön 8,6)
Vgl. Ps 19,5
Vgl. Spr 1,7; Ps 111,10
Part. Hif. von ירה
Part. Hoph. von ראה - s. Ex 25,40!
Dieser Satz des R. Pinchas mitsamt des Ausdrucks ist auf Aramäisch formuliert.
Im Druck ist das hebräische Wort falsch geschrieben.
In der jüdischen Tradition wird eigentlich auf Dtn 17,8-13 verwiesen. Das Gericht saß im Tempel und von seinem Urteil wird dort gesagt: Entsprechend der Torah, die sie dich lehren und gemäß dem Urteil, das sie sprechen, sollst Du handeln (Dtn 17,11)
Eine Anspielung auf Eph 5,2: „Und wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Opfergabe und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch!“ (Elberfelder)
Vgl. Lk 2,21 ff.